Canyoning Höhe statt Ferne Vorbereitungen

Der WOW Effekt einmal anders

By on Juli 14, 2018

Eigentlich wollte ich das Wochenende in nur einem Blogeintrag beschreiben, aber das heutige Abenteuer hat einen eigenen verdient.

Auf die Idee, den Bruckgraben zu machen, brachte uns natürlich ein T5er-Cache, der diesen im Listing als eine der eindrucksvollsten Canyoningtouren Ostösterreichs anpreist, und das zu Recht.

Wir hatten an dem Tag keinen Stress. Wir rechneten mit 7h für die ganze Tour, 1h länger als ausgeschrieben. Wir aßen gemütlich um 8:00 zu Frühstück, dann war ich noch ein Stündchen mit den Pupsen unterwegs, immerhin hatten sie wieder einen Entspannungstag im Duki vor sich. Nach einem anstrengenden Aufstieg in der prallen Sonne, bei dem wir aber 20 Minuten gut machen konnten, starteten wir dann um 12:40 im schattigen Graben unsere erste Canyoning Tour.

Keiner von unserem dreier Team hat so etwas schon mal gemacht, Klettersteige ja, Canyons ja, Abseilen ja, wasserführende Wege ja – aber alles gemischt in einem – das war für uns neu. Tom als Mitglied der Höhlenrettung, wusste sehr gut über benötigtes Equipment bescheid und war auch für die Ein- und Verteilung dieses zuständig, sowie für den Seileinbau vor Ort. Es war von 17 Abseilstrecken die Rede, von bis zu 25m Höhe. Davon waren etliche bereits mit fixen Seilen gesichert. Bei mindestens 10 mussten wir aber selbst tätig werden. Leider hatte ich keinen Tuber, sondern nur ein GriGri zum Abseilen, d.h. ich benötigte eine andere Seileinbautechnik, als die zwei Toms. Das bedeutete aber auch, dass ich immer als erste runter musste und somit den One-Woman-Spähtrupp übernahm. Das war mir auch sehr recht. Es ist zwar kein richtiges Bergwandern, aber ich fühlte mich trotzdem sehr wohl und war flink unterwegs. Aber es war natürlich ganz anders. Angefangen von der Kleidung: Wanderhose und Merinoshirt mussten dem 5mm Neoprenanzug weichen, Buff als Kopftuch dem Helm, Wanderschuhe wurden durch Neoprenschuhe ersetzt und der Wanderrucksack durch einen Schleifsack. Alles nicht mal annähernd so bequem, wie mein Bergoutfit, bis auf die Schuhe vielleicht. Aber alles notwendig. Kurz nachdem wir die Schlucht erreichten, standen wir bereits knöcheltief im Wasser. Am Anfang versuchte ich diesem noch so weit wie möglich auszuweichen und kletterte an den Seitenwänden entlang. Die Neoprenschuhe hielten bombig, ich kam mir ein bisschen wie Spiderwoman vor. Aber irgendwann war er dann doch da, der Abseiler ins brusttiefe Wasser und dann der unterm Wasserfall, und wenn man dann komplett nass ist, ist es schon egal.

Der Canyon war für uns perfekt aufgebaut. Die erste Hälfte fing gemütlich an und der Anspruchsfaktor steigerte sich, je weiter man rein kletterte. Anfänglich wärmten uns noch Sonnenstrahlen und das Grün der Bäume auf den Steilhängen links und rechts begleitete uns auf unserem Weg. Wir seilten uns entlang trockener Felswände ab bzw. kletterten entlang der vorgegebenen Seile. So einfach und für Tom offenbar auch zu langweilig, dass er gleich beim ersten Fixseil für sich sein eigenes am Baumstamm einbaute und sich da hängend ganz nach Tarzanstyle runterließ. Oder vertraute er doch nicht den dortigen Verankerungen?!

Wir genossen die Wanderung, staunten über das Naturschauspiel und machten unendlich viele Fotos. Meine Vorreiterrolle machte das Abenteuer für mich umso spannender. Nie wusste ich wie tief das Becken sein wird, in das ich mich abseile. Auch die Seilführung vor mir war unklar. Führt es mich durch den Wasserfall? Oder kann ich ihm doch ausweichen? Was kommt als nächstes? Wieder ein leichter Abseiler oder nur eine leichte Kletterei? Hinter jeder Kurve steckte wieder ein spannendes Geheimnis. Wir schritten mit jeder Serpentine ins Ungewisse.

point of no return

Der Cache befand sich ca. in der Hälfte unter dem Warnschild „letzte Fluchtmöglichkeit“. Hmm, das klang irgendwie beängstigend. Daneben war ein schmaler, steiler Pfad. Wer würde den freiwillig nehmen und warum?! Nach einer kurzen Rastpause bekamen wir die Antworten auf unsere Fragen. Die Waldhänge verschwanden hinter den in den Himmel reichenden Schluchtfelsen, durch die sich ein reißendes Bacherl seinen Weg in Serpentinen kämpfte. Und wir folgten ihm. Die Abseilstellen zum Eigen-Seileinbau wurden zum Standard, nur selten konnte man ein fixes Seil verwenden. Auch wenn mal eines da wäre, war es in der Mitte abgerissen und reichte nicht bis zum Boden. Die Abseillängen wurden immer höher und nasser. Es ging nicht mehr entlang der trockenen Felswand, sondern mitten durch den Wasserfall. Ich versuchte dem in die Tiefe rauschenden Wasser soweit es ging auszuweichen. Die Falllinie war aber vorgegeben und ich hatte keine Chance gegen die Kraft des Wasser. Das erste Mal, als mich ein Schwall traf, war richtig angsteinflößend. Plötzlich verlierst du die Kontrolle, das von oben rauschende Wasser drückt dich in irgendeine Richtung und du hängst fast kopfüber da. Schnell ist klar, dass man einfach der Wucht folgen muss, bis einen das Wasser los lässt und man sich hinter dem Wasserfall in einer Höhle fertig abseilen kann.

Wir warteten ständig auf den längsten 25m Abseiler. Jedes Mal als wir vor einem tieferen Abgrund standen, sagte einer von uns, das sei er jetzt. Tom packte dann das zweite Seil aus um das 50m-Seil zu verlängern und ließ mich nach Anleitung die zwei Seile verknüpfen. Viel Vertrauen schenkte er da meinen nicht vorhandenen Knopfkünsten, aber sie hielten. Und ich hatte etliche Versuche zu lernen, denn der längste, beste, eindrucksvollste kam erst ganz zum Schluss, als wir überzeugt waren, schon alles gesehen zu haben.

Der weiße Palast

Es war so wunderschön. Die Schlucht hellte ein bisschen auf und der Weg führte durch schlängelnde weiße, glatte, vom Wasser ausgewaschene Felswände. Das Wasser war blitz blau. Die Gänge ganz schmal. Alles glitzerte in den wenigen von oben durchbrechenden Sonnenstrahlen. Es war wie in einem futuristischen Palast, surreal, so atemberaubend, … und führte uns direkt zum Grande Finale: ein 25m hoher Wasserfall, durch den man direkt durch musste. Wer oder was bis dahin noch trocken war, war nun endgültig nass.

Floating

Danach spuckte uns quasi die Schlucht wieder aus, es wurde wieder grün und flach und leise …. Mir ist gar nicht aufgefallen, wie laut die Wasserfälle dann doch waren. Bald standen wir auch am Ufer der Enns, aber noch war unser Abenteuer nicht vorbei. Der Plan war, sich einfach in der Strömung treiben zu lassen. Die Neoprenanzüge sorgten zwar für den nötigen Auftrieb, ich hielt mich trotzdem an einem mit Gewand und Luft aufgeblasenem Drysack fest – sicher ist sicher. Zuerst kam ich gar nicht in die Strömung rein. Während beide Toms von dem Strahl erfasst wurden, blieb ich hinten. Kurzfristige Panik, aber dann schwamm ich weiter in die Mitte und spürte langsam, wie mich der Fluss mit sich nahm. Der Strudel war aber nicht ganz gnädig mit mir und wirbelte mich mal nach vor, mal nach hinten. Irgendwie ein ungutes Gefühl, gar keine Kontrolle darüber zu haben, wie man sich da fort bewegt und nicht zu sehen worauf, wenn man gerade rückwärts unterwegs ist. Wenn dann Tom auch noch warnende Signale gibt und der große Baumstamm in der Flussmitte immer näher rückt, kommt dann gleich wieder Panik auf. Aber auch dieses Hindernis wurde überwunden und bis auf ein paar blaue Flecken von dem nicht so ganz so tiefen, steinigen Flussbett, durch das wir auch durch mussten, lief alles gut. Auch der Ausstieg, da wir zum Glück die richtige Stelle wählten. Hier war das Aufstehen schon schwierig genug, weiter flussabwärts an der folgenden Engstelle wäre es eher unvorstellbar gewesen.

Die Impressionen hielten noch lange an, während wir alles trocken legten, mit den Pupsen spazieren gingen, die Grillreste vom gestrigen Lagerfeuer am Parkplatz aßen und uns verabschiedeten. Einen Gipfel erklimmt man, einen Klettersteig schafft man und beides ist damit abgeschlossen. Selten plant man, die zwei Mal zu machen. Aber eines ist fix, dieser Canyon wird uns wieder sehen.

Tagesstatistik 14.07.2018
zurückgelegte km: 15,6km
überwundene Höhenmeter: 660 bergauf / 650 bergab
höchster Punkt: 6600m – Einstieg zum Bruckgraben
tiefster Punkt: 650m – Ausstieg aus der Enns
Stunden unterwegs: 10h

Geocaches: 2
Gipfel: 0
Scharten / Pässe / Jochs: 0s
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Höhe statt Ferne

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2017 war für mich das Jahr der weiten Wanderung – in 100 Tagen ging ich von Graz nach Monaco.

Als ich damals im Piemont am Monte Rosa vorbeigewandert bin, wusste ich … irgendwann werde ich diesen Gebirgszug nicht nur aus der Ferne betrachten. Aus “irgendwann” wurde “sehr bald” …

… und so habe ich 2018 meine Prioritäten anders gelegt und mich unter dem Motto “Höhe statt Ferne” kürzer, dafür höher nach oben orientiert und auf einer zweitägigen Tour meine ersten 4.000er Gipfel bestiegen und auf der höchsten Berghütte Europas übernachtet.

In meinem Tagebuch kannst Du über dieses besondere Erlebnis nachlesen.

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