Ein Sommerspaziergang Phase 3

Wie genießt man richtig?

By on Juli 16, 2017

Die Tour, vor der wir am meisten Angst hatten, hat sich als eine der schönsten seit dem Tom da ist entpuppt. Schon witzig, wie entsprechende Erwartungen und gute Vorbereitung alles ändern kann.

Nachdem in der Locanda Regina entweder Frühstück ab 8:00 oder ein Frühstückstisch mit Kaffee in der Thermoskanne angeboten wird, nahmen wir natürlich Letzteres und waren somit komplett flexibel bezüglich der Frühstücks- und Weggehzeit. Die Angst vor der langen Tour ließ uns den Wecker noch früher stellen, den lauwarmen Kaffee noch früher schlürfen und um 5:10 bei 7°C und im Finsteren losgehen. Anfangs war der Weg einfach nur entlang der Talabfahrt, also breit und eindeutig, was auch bei Dunkelheit kein Problem war.

Farbenspiel der Sonnenstrahlen

Der frühe Aufbruch wurde durch ein wunderschönes Farbenspiel am Himmel, in der Talwiese und auf den Berggipfeln belohnt. Der Monviso schien in Flammen zu stehen und wir wanderten auf ihn zu. Der Weg entsprach zwar nicht der GTA, wir kürzten ein bisschen ab und sahen deswegen die Po Quelle nicht, gingen aber einen sehr schönen Wanderweg entlang zum Lago Grande di Viso.

Die Pfade waren sehr abwechslungsreich, teilweise auch anspruchsvoll. Immerhin waren die heutigen Übergänge, davon drei Stück, auf über 2600m und die Zustiege alpin durch wackliges Geröll. Das war zusätzlich noch etwas anstrengender als sonst, dadurch aber auch kurzweiliger. Kaum waren wir mit dem Bewundern des ersten Sees und des Monvisos fertig, waren wir auch schon über den Colle dei Viso auf 2650m. Na gut, ganz so einfach war es doch nicht. Wir mussten ein Schneefeld passieren und während ich Fotos machte, kam eine Italienerin den gleichen Weg entlang gelaufen. Tom wollte sie vorbei lassen, machte einen Schritt zur Seite in das nicht ausgetretene Weiß und versank mit einem Bein bis zu den Hüften. Der Schrecken war groß, vor allem als wir der Wasserflasche beim Absturz zusahen. Sie rollte und rollte und rollte und kam gar nicht mehr zum Stehen. Dort war es ziemlich steil. Die Italienerin war sofort zur Stelle und zog Tom an seinem Rucksack aus dem Schnee. Ich kann mich noch genau erinnern, was für ein ungutes Gefühl das ist, zu versinken und fest zu stecken und sich aus den Schneemassen heraus arbeiten zu müssen … es ist nicht lustig.

Da hinter dem Übergang gleich mal das Refugio Quintino Selle war, ertranken wir den Schrecken in Kaffee, für nen Spritz war es um halb neun dann doch zu früh. Wir hatten Glück einen Tisch auf der schönen Terrasse mit Ausblick zu bekommen. Bereits im Tal wurden wir vor den Montevisiotouristen gewarnt. Da waren sie. Gerade mit Frühstücken fertig, schmierten sie sich mit Sonnencreme ein und machten sich für die heutige Tour fertig. Wir mussten schmunzeln. Immerhin hatten wir schon die ersten 900Hm überwunden und waren seit mehr als 3h unterwegs. Zumindest konnte ich mein „Bonjour“ üben, denn bald bin ich in Frankreich und hier waren heute fast nur Franzosen unterwegs.

Armes Würmchen

Aus Rücksicht auf Ryoko haben wir die weitere Tour auch etwas angepasst. Die arme Maus ist läufig und das scheint sie etwas fertig zu machen. Sie verträgt die Hitze noch weniger als sonst und auch das Wandern selbst scheint ihr nicht soviel Spaß zu machen. Sie hat wohl nur Rüden im Kopf und legt sich sobald es geht hin und putzt sich das Blut weg. Ziemlich bald nach dem Rifugio machten Tom und die Wuffis also gleich mal die nächste Rast, während ich einen kleinen Umweg ohne Rucksack lief, um gewissen Pflichten nach zu gehen. Das Joggen tat echt gut! Dafür fühlte sich der Rucksack anschließend viel schwerer an.

Der nächste Pass war nur etwas mehr als 100m höher gelegen und der Weg dorthin durch eine schöne Wiesen- und Seenlandschaft und damit es nicht langweilig wurde, kam gegen Ende auch wieder ein Geröll- und Steinweg, der vollste Konzentration forderte. Wir waren schon etwas müde und da rutscht man ab uns zu mal aus. Vor allem beim Abstieg nach dem letzten Passo San Chiaffredo auf 2764m wurde es wirklich steil, rutschig und anstrengend. Das war Toms höchster Pass, aber so unspannend, das wir dort weder Rast noch Fotos machten. Beides holten wir am wunderschönen Lago Bertin nach, der von einer Steinamandelwiese umgeben war.

Jeder genießt anders

Wir kamen heute an etlichen Seen und Bademöglichkeiten vorbei, aber irgendwie machten wir trotzdem keinen Badestop. Zuerst war es zu kalt, dann zu viele Leute, dann kein passendes Plätzen, dann …. . Einer meiner „Vorsätze“ für mein Leben nach der Wanderung ist das gemeinsame Leben mit Tom mehr zu genießen. So oft sitzen wir Abends vor den Rechnern und anstatt Feierabend zu machen, arbeiten wir spät in die Nacht hinein oder vertiefen uns in irgendwelche Projekte. Unausgeschlafen und schlecht gelaunt starten wir dann den nächsten Tag und sind am Abend dann zu müde, um Feierabend zu machen … ein Teufelskreislauf, den ich unterbrechen möchte. Weniger Projekte, weniger Nachtschichten, mehr gemeinsame Qualitätsmomente. Heute bei der Wanderung kamen mir Zweifel. Wir hetzten uns hier jeden Tag ziemlich ab, schaffen doppelte Etappen in Minimalzeit, starten vor Sonnenaufgang und laufen durch die Alpen. Ist das Genießen? Wir nutzen den Abstieg dazu, dies zu ergründen und auch wenn das Viele oder die Meisten nicht nachvollziehen können, ja es ist genießen … für uns zumindest. Wir sind da leider oder gottseidank beide gleich. Wir ergänzen uns hier nicht, wir puschen uns nur noch mehr. Aber wir haben nun mal einen schnellen Schritt drauf und es ist für uns genauso toll, als Erste am Pass zu sein, von niemanden überholt zu werden oder in Mindestzeit die Etappe zu schaffen. Trotzdem genießen wir die Wanderungen, die Pausen mit Jausen und auch die Nachmittage in den schönen Örtchen. Das alles halt nur ein bisschen schneller. 🙂

Mit diesen Gedanken rauschten wir im schönen Castello nach 8,5h ein und belohnten uns gleich mal mit Kaffee und Eis. Zur Unterkunft am anderen Ende des Stausees waren es laut Koomi noch 50 Minuten. Da es heiß war, überlegten wir kurz den Bus zu nehmen, aber der fährt sonntags nicht, somit spazierten wir die restlichen 30 Minuten auch noch. 🙂 Das Gute am frühen im Quartier sein ist, dass sich die Pupsen ausruhen und wir schauen können, welchen Snack es zum Spritz gibt – heute gab es eingelegte Tomaten, Salami und getoastetes Brot – sehr lecker!

Im Hotel angekommen sahen wir auch gleich, dass es Frühstück erst ab 8:00 gibt … genial! Denn morgen steht nur eine 4h Tour am Programm, d.h. wenn wir um 9:00 weg gehen, schaffen wir es vielleicht noch vor Mittag … ok, das wäre wohl doch zu stressig. 😉

Tagesstatistik
zurückgelegte km: 23,9km
überwundene Höhenmeter: 1280 bergauf / 1400 bergab
höchster Punkt: 2764m – Passo San Chiaffredo
tiefster Punkt: 1590m – am Castellostausee
Stunden unterwegs: 10h

absolvierte Stages: 2
gefundene Geocaches: 0
davon T5: 0

Kosten: 135,-
2x Übernachtung inkl. Frühstück: 90,-
2x Kaffee & Crustata im Rifugio: 12,-
Kaffee & Eis in Castello: 7,-
Spritz in Maddalena: 8,-
Hundefutter im Minimarket: 28,-
Links

Fotos von heute
zur Unterkunftsbewertung
Chalet Seggiovia
Route auf Komoot

Route

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2 Comments
  1. Antworten

    Babsy

    Juli 16, 2017

    … bin bei euch – die qualität der gemeinsamen freizeit ist wichtig, nicht die quantität! alles liebe, b.

  2. Antworten

    Cose

    Juli 17, 2017

    Genießen, genießen, genießen…. 🙂

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Höhe statt Ferne

zur StoryView more

2017 war für mich das Jahr der weiten Wanderung – in 100 Tagen ging ich von Graz nach Monaco.

Als ich damals im Piemont am Monte Rosa vorbeigewandert bin, wusste ich … irgendwann werde ich diesen Gebirgszug nicht nur aus der Ferne betrachten. Aus “irgendwann” wurde “sehr bald” …

… und so habe ich 2018 meine Prioritäten anders gelegt und mich unter dem Motto “Höhe statt Ferne” kürzer, dafür höher nach oben orientiert und auf einer zweitägigen Tour meine ersten 4.000er Gipfel bestiegen und auf der höchsten Berghütte Europas übernachtet.

In meinem Tagebuch kannst Du über dieses besondere Erlebnis nachlesen.

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