4000er Gipfel Höhe statt Ferne Monte Rosa

A perfect day on top of Europe

By on Juli 30, 2018

Es war nicht sehr klug bis 23:30 noch Blog zu schreiben, aber ich hätte wahrscheinlich auch so vor lauter Aufregung nicht schlafen können. Der große Tag begann um 3:30, bzw. eigentlich schon um 3:00. Sowohl Marco, wie auch ich waren lange vorm Wecker munter. Ich hatte zugegebenermaßen noch einen leichten Brummschädel, hoffte aber, dass es keine Vorboten der Höhenkrankheit, sondern nur Nachwirkungen von gestern und dem wenigen Schlaf waren. Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen von uns erwischt, war schon groß. Ich hoffte aber, dass ich wirklich kein Problem mit der Höhe haben würde, ich liebte die Berge einfach zu viel dafür. Meine AppleWatch, die ja seit meinem Geburtstag fixer Begleiter auf allen Wanderungen ist, dadurch auch einen weiteren Steckplatz für Strom braucht und ein zusätzliches Kabel, aber den Akku meines iPhones entlastet, konnte mir ja meinen Puls anzeigen. Zuerst war da was mit 90 – ui, das wäre nicht gut. Aber als ich mich dann beruhigte, war er wieder auf 64 runter, also zumindest kein Herzrasen. Marco holte noch unsere Schuhe aus dem Schuhraum, damit sie warm werden und durch unser Herumräumen wurden auch bald Volker und Thomas munter. Wir hatten bereits alles gut vorgepackt und vorbereitet, also hieß es nur noch schnelle Katzenwäsche und ab zum Frühstück. Das ist zwar für 4:30 ausgeschrieben, aber ab 4:00 konnte man schon Kaffee, Milch, Müsli, Zwieback und sogar leckeres Briochebrot, dazu Nutella, Marmelade und Honig haben. Später gab es dann auch noch Käse und Schinken und für uns dann leider schon zu spät Joghurt zum Müsli.

Leider ließ uns dann Thomas Verdauung die gewonnen halbe Stunde wieder verlieren. Auf der Terrasse des Rifugios legten Volker und Marco das vorbereitete Seil wie ein U auf. Nachdem wir uns die Steigeisen angezogen haben, stellten wir uns an die für uns geplante Position und Marco hängte mich ins Seil, Volker half Thomas. Es wäre jetzt echt kein Problem für mich gewesen, den Karabiner in meinen Klettergurt einzuhängen, aber ich war so nervös, dass ich wirklich über jede Hilfe froh war.
Wir starteten dann wie geplant um 5:00 im Dunkeln mit Stirnlampen ausgestattet unsere erste 4000er Besteigung. Das Seil links von uns, in der linken Hand einen Wanderstecken mit dem besagten Schneeteller alias racket und in der rechten den Eispickel. Der zweite Wanderstecken hatte mal Auszeit.

Lichtermeer

Im Rifugio übernachteten grob geschätzt mind. 160 Leute, so war es nicht verwunderlich, dass wir, als wir über den ersten Felsen drüber waren und endlich in die weite Ferne des noch im Schwarz der Nacht gehüllten Gletschers schauten, ganz viel weiße Pünktchen sich langsam fortbewegen sahen. Es war hier ganz schön viel los. Auch wir passten unser Tempo auf unsere neue Tour an. Durch die Höhenmeter, die wir vor uns hatten, war es ganz wichtig den Körper langsam an die Höhe zu gewöhnen. Dieses langsame Gehen war anfänglich eine Herausforderung, aber es gab so viel zu sehen, so viel Neues zu entdecken, alles war so aufregend, da konnte man sich ruhig die Zeit nehmen und genießen. Lustig, dass mich gerade eine 4000er Besteigung langsames Wandern lehrt. Aber nicht nur das langsame Gehen selbst war die Herausforderung, sondern das Gehen in einem fix vorgegebenen Tempo. Volker bestimmte, nach Marcos Anweisungen, wie schnell wir gingen. Und ich hatte meine 10m Abstand zu ihm, die ich halten musste. Das war wichtig, damit das Seil etwas gespannt bleibt. Einerseits sollten wir es nicht die ganze Zeit durch den Schnee ziehen und andererseits, wenn ich ihm zu nahe käme, würde das Seil bei mir oder bei ihm vor den Beinen baumeln und die Gefahr mit den sehr spitzen Steigeisen das Seil zu beschädigen, war einfach zu groß. Ich hatte eine andere Schrittlänge als mein Vordermann und auch ein anderes Tempo, also ging ich der Taktik nach, immer wieder einen Schritt Pause zu machen und konnte so eine gute Seilspannung halten. Selten war es zu gespannt, ich hatte immer Angst an Volker zu ziehen, öfters aber zu sehr am Boden. Marco hinter mir spürte ich gar nicht und auch das Seil nicht bei meinen Füßen, er hatte das offenbar gut im Griff. Im Gegensatz zu Thomas. Immer wieder hörten wir von hinten die Rufe „Thomas, the rope please!“ bzw. anfänglich eher Thomas, the ruuuup, please!“ Irgendwie schaffte er es sich nicht zu merken, dass „la corda“, the rope und nicht the rupe auf Englisch heißt.

Gletscher

Sehr schnell wurde es heller, da sich rechts von uns aber Felsen erstreckten, sahen wir den Sonnenaufgang nicht, nur das dadurch verursachte Farbenspiel am Himmel. Es war aber keine Zeit dieses zu betrachten. Wir gliederten uns in die Schlange der vielen Seilschaften ein, die ganz langsam und vorsichtig das erste große Schneefeld überschritt. Hier war die Gefahr der Gletscherspalten am größten und ich merkte an Marcos Stimme auch, das es nicht ungefährlich war. Es kamen Anweisungen von ihm wie, „jetzt schneller gehen“ oder „hier nicht stehen bleiben“ oder „hier ganz vorsichtig“. Wenn uns mal eine Seilschaft entgegenkam, gab er Anweisung wo wir zu warten hätten oder wie wir ausweichen könnten. Es hat alles super funktioniert, wir waren von Anfang an ein gut eingespieltes Team. Nur bei unserer ersten Gletscherspalte hat Thomas irgendwas fallen lassen und wir mussten genau über dieser stehen bleiben. Volker war ganz mulmig dabei und als ich sie dann auch passierte, wusste ich auch warum. Ein ca. 2m breiter Riss mit blitzblauen, verwundenen, glatten Eiswänden erstreckte sich in die Tiefe. Dass etwas so wunderschönes so gefährlich sein kann!! Ich hätte sie ja so gern fotografiert, das war aber natürlich nicht möglich. Wir mussten so rasch und vorsichtig wie möglich weiter. Grob geschätzt eine Stunde waren wir so unterwegs, bis sich die Pfade aufteilten und die Stimmung lockerte, bis irgendwann von hinten kam „Volker stop. Anna, you can take a picture now.“. Er kannte mich schon sehr gut. 🙂

Ich befürchtet zuerst, dass wir hier wirklich in den Menschenmassen unterwegs sein werden, aber nach dem Gletscherspaltenfeld teilten sich auch die Seilschaften auf. Jede brach in eine andere Richtung auf, hatte einen anderen Gipfel als Ziel. Am Weg zu unserem ersten verlor Marco seinen Sonnenbrille. Zuerst ganz langsam, dann aber immer schneller kullerte sie den Steilen Abhang hinunter. Es wäre unmöglich dieser nachzugehen, auch wenn sie stehen geblieben wäre. Ist sie aber nicht. Volker hatte zum Glück für die Eventualität eines Schneesturms seine Schibrille mit und konnte aushelfen, denn ohne wäre es gar nicht gegangen. Ich habe das gar nicht bedacht, denn ich war mit meiner normalen Espritsonnenbrille unterwegs. Irgendeinen UV-Faktor hat die sicher auch, aber um Schneeblindheit zu vermeiden, sollte man am Gletscher mit mindestens einer 3er oder 4er Brille unterwegs sein. Mir schien die Sonne und der Schnee nichts auszumachen. Marco im Gegenteil hatte sehr empfindliche Augen und versuchte es mal mit der Ersatzbrille. Um 7:10 erreichten wir dann unseren ersten 4000er, die Vincent Pyramide mit 4215m.

Wir hatten so ein Glück mit dem Wetter. Der Himmel war nahezu wolkenfrei, und die Wölkchen die da waren, verhalfen der Sonne zu schönen sichtbaren Sonnenstrahlen. Der Nebel war noch nicht hoch, und ließ die Welt weit unter uns in einem magischen Dunst verschwimmen. Und vor uns erstreckte sich eine Bergkette nach der anderen. Die Nähersten noch ganz scharf und hell, die Weiteren immer verschwommener und dunkler. Es schien nie aufzuhören. Irgendwie erinnerte mich das an eine Theaterbühne, auf der die 3D Effekte durch einzelne Lagen von Gegenständen erstellt werden. Hier waren es nie endende Bergketten. Leider konnten wir nicht ganz zur Gipfel-Spitze vor. Marco meinte, das sei zu gefährlich. Aber nachdem sie hier mit Gipfelkreuzen eher gespart haben, war das eh nicht so eindeutig wohin man eigentlich musste. Also stapften wir den selben Pfad wieder hinunter, mit den Steigeisen beim ersten Mal etwas ungewohnt.

Der zweite 4000er war eher ungewöhnlich. Ich hätte das gar nicht als Gipfel erkannt. Kurz nach dem Abstieg von der Vincent Pyramide ragte mitten in einem Schneefeld ein Felsen heraus, der über einen gesicherten Steig zu erklettern war. Darauf war eine Jesustatue, ein Biwak und ein Geocache. Letzteres für Volker und mich noch ein Grund mehr raufzuklettern, aber auch ohne dem hätte ich mir diesen seltsamen Gipfel nicht entgehen lassen wollen, den Balmenhorn mit 4167m und dem Bivaco Felice Gordano Balmenhorn. Thomas verstand nicht so ganz, warum wir da jetzt raufkletterten. Waren wir nicht hier, um 4000er zu erklimmen?! Jedenfalls in der Seilschaft gefangen, hatte er gar keine andere Wahl. Zuerst arbeitete sich Volker die Eisenstiege hoch, er war ja der Erste, sicherte sich oben mit der zusätzlichen Bandschlinge, die wir unter anderem für solche Fälle hatten (eigentlich um sich am im Eis haltenden Eispickel im Notfall zu sichern) und holte das Seil ein, während ich nach kam. Der Rest folgte analog.

Während Thomas sich wahrscheinlich immer noch fragte, was er da jetzt mache, Marco seine Steigeisen nachzog, die er gestern Abend mangels Schlaf und aufgrund starker Müdigkeit verstellt hatte, suchten Volker und ich die Dose. Das Biwak hat wie jedes Biwak nur eine natürliche Aussentoilette, da hier aber die Temperaturen zu niedrig sind, um die Exkremente verwesen zu lassen, ist der Geruch dementsprechend unangenehm und intensiv. Umso wichtiger war uns ein schneller Fund, der mir auch gelang. Somit hatten wir unseren ersten Logeintrag auf über 4000m Höhe! Dazu einen TB und eine Challenge, die wir mit dem davor stattgefunden Besuch der Vincent Pyramide auch erfüllten, nömlich zu diesem noch mind. einen anderen 4000er erklommen zu haben. Wie auch auf dem ersten Gipfel hatten wir auch hier das Glück, diesen ganz allein für uns zu haben, erst beim Abstieg staute es sich ein bisschen. Aber so kann man zumindest gruppenweise von sich gegenseitig Fotos machen. Viel mehr als drei Seilschaften würden sich hier aber gar nicht ausgehen, so klein war der seltsamene Felsengipfel mit seinem mini Biwak.

Nummer drei war wieder anders. Diesmal ging es über den Colle del Lys, einen schmalen, ausgesetzten Grat entlang, gut 200m lang, auf die Parrotspitze mit 4432m. Sogar für ein GruppenSelfie war es zu schmal.

Auch hier hatten wir das Glück jeweils nur am Hin-und Rückweg Seilschaften zu passieren. Bei einem solchen Überholmanöver verlor ich meinen racket im Schnee, da ich ihn aber auf Anhieb nicht sah, wollte ich ihn später mit dam anderen Stecken tauschen. Auch hier sind wir nicht über den Gipfel weitergegangen und auf der anderen Seite abgestiegen, sondern wieder umgekehrt. Auf dem schmalen Grad mussten wir aber kurzfristigerweise die Reihenfolge tauschen, denn umdrehen war nicht möglich. Auch ein Brillenwechsel war angesagt, Marco konnte mit der Schibrille nicht mehr gut sehen. Somit hatte nun Volker die Schibrille und war Schlusslicht und Thomas ging vor, gefolgt von Marco, der beim Abstieg vom Grat stürzte und sich seine Hose mit dem Steigeisen zerschnitt. Es war nicht sein Tag. Als ich Thomas dann beim Wiederherstellen der Seilschaftsordnung unten im Schneefeld überholte, überreichte er mir bereits zum zweiten Mal meinen Schneeteller, er war mein Rackethero. 🙂 Es war erst gegen 10:30 als wir von der Parrotspitze runterkamen, nächstes geplantes Ziel wäre bereits das Refugio gewesen. Wenn es nach mir ginge, könnten wir aber noch einen Gipfel am Weg mitnehmen. Ich wurde aber sehr schnell 3:1 überstimmt. Die Burschen wollten einkehren und den Nachmittag zum Regenerieren nützen. Sogar Marco schien müde zu sein, denn ich spürte immer wieder, wie sich das Seil zwischen uns spannte. Da Volker die Schibrille langsam auch zu schaffen machte, war ich jetzt mit Wechsel dran, ich hoffte nur, meine Nichtgletscherbrille wäre ausreichend. Am Weg zum Refugio treffen sich viele der Seilschaften wieder und auf dem Pfad rauf wimmelte es wieder. Aber wir hatten keinen Stress und konnten so die Aussicht auf die Zumsteinspitze genießen, die vor uns in den Himmel ragte, gleich dahinter die Dufourspitze, der höchste Berg des Monte Rosa Gebirgszuges. Letzteres musste noch ein bisschen auf mich warten, denn sie war noch eine Stufe gefährlicher und Schwieriger, aber Erstere war unser morgiges Ziel, der höchste Gipfel den wir besteigen würden. Kurzfristig war das zwar fragwürdig, denn Marco dachte auf Grund der Schneeverhältnisse können wir nicht rauf, aber die vielen kleinen Maxerln, die man von weitem sah, deuteten darauf hin, dass sie gut besteigbar war. Hier waren die Pfade nicht ganz so eng und das Schneefeld nicht ganz so gefährlich, so dass langsame Überholmaneuver möglich waren. Seilschaft an Seilschaft gingen wir langsam aneinander vorbei und kamen auch mit der einen oder anderen ins Reden, unter anderem mit zwei Ungarn, denen Volker von dem Brillenverlust erzählte. Sie hatten zwei Ersatzgletscherbrillen mit und das gleiche Ziel und konnten auf eine kurzfristig verzichten! Wir nahmen das Angebot dankend an.

Wir waren mittlerweile alle in einer leichten Montur, da es die ganze Zeit in der prallen Sonne ging und es wirklich heiß war. Nur das letzte, sehr steile Stück auf unseren letzten Gipfel, war schattig. Langsam zogen dann doch die angesagten Regenwolken auf. Gerade da schloßen wir zu einer sehr langsamen Seilschaft auf, die immer wieder Stehpausen machte und wir alle mit. Überholen war hier kaum möglich, Rucksäcke absetzen und wieder anziehen auch schwer. Da merkten wir, wie kalt es eigentlich wirklich war! Ich fror zum ersten Mal ein wenig. Eine Zweierseilschaft drängte sich dann doch vor und ging zeitweise eingereiht zwischen Volker und mir. Ich merkte schon gestern beim Abendessen bzw. heute beim Frühstück, dass hier nicht nur reine Bergmenschen unterwegs sind. Der Respekt zu anderen Wanderern und den Bergen ist nicht ganz so, wie man es zum Beispiel auf der GTA gewohnt ist. Einen Hauch von Massentourismus spürt man hier schon. Eine gefühlte Ewigkeit später, aber um genau zu sein um 12:11 erreichten wir unser heutiges Tagesziel, Europas höchstgelegene Berghütte, das Rifugio Capanna Regina Margherita auf unserem vierten 4000er, dem Punta Gnifetti mit 4554m.

Höhenkrankheit

Der Check in brauchte noch ein bisschen, also setzten wir uns mal in den Essens-/Aufenthaltsraum und tranken unseren verdienten Radler.

Nur Thomas setze aus, ihm war immer noch etwas mulmig im Magen. Gleich wurden wir von einem deutschen Studenten angesprochen, der hier eine Fallstudie zum Thema Höhenkrankheit machte und uns bat, Fragebogen auszufüllen. Der Fragebogen bestand zum einem aus dem Versuch herauszufinden, wie viel wir über die Höhenkrankheit wussten und zum anderen wie wir uns bei der Ankunft und dann am nächsten Morgen fühlten. Ich gestand gleich, dass mein Ergebnis event. durch einen zu hohen Konsum an Genepy am Vortag verfälscht werden könnte. Ich muss gestehen, mein Wissen zu dem Thema war eher sehr schwach, eigentlich eine Schande. Ich wusste nicht einmal, dass es drei Ausprägungen gab:

  • Akute Höhenkrankheit (AMS): 
Leitsymptom Kopfschmerz plus: Müdigkeit, Schwindel, allgemeine Schwäche, Übelkeit mit Appetitlosigkeit, erhöhter Ruhepuls, verminderter Harndrang
  • Höhenlungenödem (HAPE): 
ausgeprägter Leistungsverlust, akute Atemnot, Reizhusten, sogenannte Raschelgeräusche beim Atmen (bedingt durch Wasser auf der Lunge), Zyanose (Blaufärbung von Lippen und Schleimhaut durch verringerten Sauerstoffgehalt)
  • Höhenhirnödem (HACE): 
Lähmungen, Bewegungsstörungen, Kopfschmerzen, Halluzinationen bis hin zum Koma.

Wir füllten natürlich sehr gern den Fragebogen aus. Im Gegenzug besorgte er uns für Marcos Augen Augentropfen, die erholten sich nur sehr langsam von der Zeit mit der Schneebrille und fragte auch im Refugio für uns nach, ob sie nicht eine Sonnenbrille hätten. Es wurde eine gefunden, Faktor 3 und sie würden sie uns für 30 € verkaufen. Wir wollten die Entscheidung vertagen, bis wir unsere ungarischen Mitwanderer fanden und herausfanden, wie es da mit der Brille weiter ginge. Erschwerend war nur, dass wir eigentlich gar nicht wussten, wie diese ohne der Bergmontur ausschauen. Wir hofften einfach, dass sie uns erkannten. Thomas ging es leider von Minute zu Minute schlechter. Ob es wohl etwas bestärkt durch das Lesen der Symptome am Fragebogen war, aber er erkannte einige davon wieder. Übel war ihm schon in der Früh, Kopfschmerzen wurden immer stärker, er hatte keinen Appetit und auch den ganzen Tag nichts gegessen, was für ihn sehr ungewöhnlich ist. Ich versuchte den Check In zu beschleunigen, damit sich Thomas nach Einnahme eines Tomapirins so schnell wie möglich niederlegen konnte. Volker gesellte sich gleich dazu.

Verschärfte Bedingungen

Wir waren in einem 10-Bett Schlaflager … na das konnte eine Nacht werden. Das Zimmer hatte nur ein kleines Fenster und es war sehr heiß. Ich hoffte, dass es in der Nacht abkühlt, aber aus dem Refugio Gnifetti wusste ich bereits, dass das eher nicht der Fall sein wird. Die Tür ließ sich nicht verschließen, wodurch der unangenehme Geruch aus der Toilette ins Zimmer drang. Die Toilette, jeweils eine pro Stock, war nach dem gleichen Prinzip wie die im Gnifetti, nur leerte man kein Wasser aus dem Kanister nach, sondern stopft Klopapier und Sonstiges mit einem Stecken nach.

Wasser zum Spülen gab es hier keines. Und nicht nur das, es gab hier überhaupt kein Wasser. Aber es standen immerhin Desinfektionsgels auf den Klos, nur ich befürchte nicht jeder schaut sich die vielen Flaschen an. Aber egal, das wussten wir ja und ich habe mich mit Feuchtetüchern eingedeckt, mit denen sich Marco und ich „duschten“, bevor wir uns in den Aufenthaltsraum setzten. Er bestand darauf, dass ich hier die Pizza koste und sie war wirklich sehr gut, ein flauschig leckerer, dicker Teig, mit Tomatensauce und Sardellen. Und ich dachte eine italienische Pizza muss immer ganz dünn und hart sein. Zum Kaffee aß ich dann meinen ersten der sechs Riegel, die ich mir aus Wien mitgenommen hatte. Während ich an meinem Blog schrieb, legte sich Marco dann irgendwann auch hin. Ich habe tatsächlich alle drei Männer geschafft. 🙂

Verschoben, aber nicht aufgehoben

Um 18:30, also wirklich sehr früh für italienische Verhältnisse, hatten wir dann Abendessen. Thomas ging es etwas besser und er aß auch wieder. Es gab diesmal Erbsensuppe und Pasta mit Gorgonzola, danach eine kalte Platte, bestehend aus Gemüse, Katoffeln und Rindfleisch. Als Nachspeise gab es Kekse und Schoki. Alles in allem nicht ganz so toll. An unserem Tisch saßen Engländer, mit denen wir uns ganz nett unterhielten.Auch die Ungarn haben wir entdeckt, bzw. eigentlich sie uns. Es stellte sich heraus, dass sie ebenfalls in unserem Zimmer lagen. Sie boten uns an, uns die Sonnenbrille um €35,- zu überlassen. Da sie einen höheren Schutzfaktor hatte und uns allen besser gefiel, nahmen wir das Angebot an. Dazu gab es auch ein Etui und sogar ein Sicherungsschnürl. Das allein war viel wert!
Während des Abendessens haben wir beschlossen, morgen keinen weiteren Gipfel mehr zu machen. Das Risiko für Thomas war einfach zu groß. Es wurden zwar etliche Optionen durchgesprochen, wie z.B., dass Thomas auf der Hütte bleibt und wir nur zu dritt gehen und Thomas nachher wieder abholen oder dass Thomas und Marco da bleiben und ich mit Volker gehe und sie uns dann entgegen kommen – immerhin wartetete dort auch ein T5er. Volker hatte aber auch schon genug und wollte am nächsten Tag doch auch nur mehr absteigen. Natürlich war ich enttäuscht und konnte das kaum verstecken. Und ich weiß, wenn ich Marco gefragt hätte, ob er mit mir früher aufsteht und die Zumsteinspitze macht, dass er dann ja gesagt hätte. Aber wir haben bei unserer Reunion im Refugio S. Ferioli beschlossen, dass entweder alle oder keiner rauf geht, also sollte es auch so sein. Die Zumsteinspitze musste also auch noch mind. ein Jahr auf mich warten. Ich wollte aber so oder so noch mal her, dann eben Dufour und Zumstein auf einmal, warum nicht? Marco meinte aber sofort, dass das dann mindestens drei Tage wären, denn für Dufour braucht man allein einen ganzen Tag. Für mich ist je länger desto besser, im Gegensatz zu offenbar allen drei Herren, zog mich noch gar nichts wieder ins Tal, ich hatte noch nicht genug von dem wunderschönen, reinen Weiß des Gletschers.

Lange Nacht

Gottseidank bekamen wir zum Abendessen eine Flasche Wasser aufs Haus. Nachdem 0,5l hier €6,- kosten, war das schon ganz toll. Und man braucht hier nicht nur Wasser zum Trinken, sondern auch zum Zähneputzen. Dafür gibt es noch keine Feuchttücher. Das Zähne putzen findet hier auf der Miniterrasse statt, das erklärt auch die weiß gefleckten Felsen darunter. Nachdem das auch die einzige Vorbereitung zum Schlafen war, kuschelte ich meinen Kopf um 21:30 ins das überraschend bequeme Kopfkissen und schlüpfte in den Papiereinwegschlafsack, den ich vom Rif.Gniffetti mitgenommen hatte. Meinen wollte ich doch zuerst lieber mal waschen, bevor ich ihn wieder verwenden würde. Da morgen auch nur der Abstieg am Programm stand, wurden die Wecker auf 5:00 gestellt. Ich konnte also rein theoretisch 7,5h schlafen. Es gab Hoffnung auf ausgeschlafen sein!

Aber auch wenn nicht…. ein perfekter Tag ging gerade zu Ende. Mein Traum wurde wahr. Ich habe vier 4000er bestiegen und lag gerade auf der höchsten Hütte Europas im Bett! Danke an “meine Jungs”, die das ermöglicht haben:

  • an Volker, der im Februar der Grundstein für dieses Abenteuer setzte
  • an Thomas, der mich trotz meiner Verrücktheit auch bei diesem Abenteuer begleitet
  • am Marco, der ein unglaublicher Guide ist
  • an Kai, der in mir die Liebe für die Berge weckte
  • und vor allem an Tom, der zuhause die Stellung hält und mir die Verwirklichung meiner Träume ermöglicht
  • 😘😘😘😘
4000er-Route

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Höhe statt Ferne

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2017 war für mich das Jahr der weiten Wanderung – in 100 Tagen ging ich von Graz nach Monaco.

Als ich damals im Piemont am Monte Rosa vorbeigewandert bin, wusste ich … irgendwann werde ich diesen Gebirgszug nicht nur aus der Ferne betrachten. Aus “irgendwann” wurde “sehr bald” …

… und so habe ich 2018 meine Prioritäten anders gelegt und mich unter dem Motto “Höhe statt Ferne” kürzer, dafür höher nach oben orientiert und auf einer zweitägigen Tour meine ersten 4.000er Gipfel bestiegen und auf der höchsten Berghütte Europas übernachtet.

In meinem Tagebuch kannst Du über dieses besondere Erlebnis nachlesen.

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