Ein Sommerspaziergang Phase 4

Tag 99 – 8:52

By on Juli 27, 2017

Heute hab ich verschlafen. Wobei ich nicht mal weiß, ob ich gestern vor lauter Müdigkeit vergessen habe, den Wecker zu stellen oder ihn in der Früh abgedreht und weiter geschlafen habe. Lässt die Anspannung und das Adrenalin nach, jetzt wo ich so nah am Ziel bin? Um 6:35 bin ich also aus den Federn gesprungen, habe Yoga ausgelassen, schnell gepackt und war pünktlich um 7:15 beim Frühstück. Nachdem ich ja jedesmal wegen der Frühstückszeit verhandle, wäre es sehr unhöflich, da zu spät zu erscheinen. Diesmal trafen wir uns in der Mitte, er meinte 7:30, ich 7:00 und es wurde Viertel. Bei der trockenen, südländischen Hitze hier, ist jede Minute in der Früh wertvoll. Bei dem Frühstücksangebot (Croissant, Marmelade, grausiger Kaffee) war ich bereits um 7:39 am Weg und das auch nur, weil ich mich von Ichiro verabschieden wollte.

Freudentränen

1h und 13Min später stand ich dann tränenüberströmt am Berghang und schaute verträumt in die Ferne. Dort war es, das langersehnte Meer! Ich habe erwartet, dass mich der Anblick überwältigt, aber es war noch mehr. 99 Tage bin ich nun Richtung Süden unterwegs und heute habe ich mein endgültiges Ziel endlich erblickt. Es ist schon jeden Tag ein super Gefühl, wenn man zum ersten Mal das Etappenziel sieht. Da bekommt man nochmal so richtig Ansporn und egal wie lange der Tag schon war, schaltet man ein letztes Mal einen Gang höher und man weiß, es ist zu schaffen. Und heute habe ich nicht das Etappenziel erblickt, sondern DAS Ziel überhaupt!

Der weitere Weg war ziemlich gefährlich. Erstens habe ich nicht viel gesehen, da mein Blick ganz verschwommen war. Das lag wohl an den nicht zu stoppenden Freudentränen. Zweitens musste ich immer wieder nach rechts kucken, statt auf den schmalen Weg entlang der Hangquerung. Ich konnte meinen Blick nicht von dem weiten Wasser abwenden. Egal wie diesig und trüb dieser Anblick war. Thomas, mein GTA Begleiter, hat mir erklärt, im September sei die Sicht in den Bergen viel klarer. Martina, ich beneide Dich jetzt schon um den Anblick. Aber mir reichte es. Am Anfang war ich mir sogar noch etwas unsicher, aber je länger ich ging, desto klarer wurde es. Ich sah die Landzunge von Menton!

Das endgültige Ziel war also in Sicht und die Frage der letzten Tage poppte umso intensiver auf. Konnte ich warten oder würde ich einen Gang höher schalten und morgen bis ans Meer gehen?

Zwischen stolpernderweise wandern, aufs Meer schauen und Fotos vom Meer machen, fing ich an gedanklich eine Pros & Cons Liste zu machen.

weiter gehen warten

Es ist MEIN Sommerspaziergang. Ich habe ihn zwar allein begonnen, aber es wäre sehr schön ihn gemeinsam zu beenden.

Immer wieder wurde ich erinnert, dass ich das allein mache. Es ist aber doppelt so schön, besondere Momente mit jemandem zu teilen.

Das Ziel ist so nahe, … … läuft mir aber auch nicht davon

Schon vorm Ziel entspannen, passt irgendwie gar nicht! Ich könnte meine Reise dadurch aber noch um zwei Tage verlängern.

Ich habe mich so abgehetzt, um so schnell wie möglich fertig zu sein, und jetzt soll ich warten?

Ich habe genug Berge gesehen, ich will ans Meer. Dann ist es aber endgültig zu Ende.

Es wäre der 100ste Tag!

Es klingt viel besser, wenn man sagt man ist in 100 Tagen von Graz nach Monaco gegangen, als in 103.

In Peillon und Umgebung gibt es keinen einzigen Cache.

Ich würde gern bald meine Zehen ins Meer stecken. Aber es wäre schön, wenn da auch noch Pfoten mit Krallen dabei wären.

Ich habe die Gassi-Runde mit den Pupsen begonnen,
ich möchte sie mit ihnen beenden.

Was ist wenn ich warte und mir das nie verzeihen werde?

Tom hat einiges dazu beigetragen, dass dieser Spaziergang möglich war und dass ich ihn auch beenden kann. Wenn er sich wünscht dabei zu sein, dann hat er das auch verdient!

Zwischenziel

Nach einer immer länger werdenden, aber weiterhin unschlüssigen Liste und 7,5h, also fast länger als Koomi geplant hatte, war ich mal am heutigen Ziel angekommen, in Sospel. Entweder hat sie endlich eingesehen, dass ich schnell gehe und die durchschnittliche Geschwindigkeit für ihre Berechnungen rauf gesetzt oder ich war heute langsam. Ich tippe auf Zweiteres, denn jedes Mal, wenn ich wieder einen Hügel weiter wanderte, musste ich neue Fotos vom Meer machen. Die heutige sehr eintönige Fotogalerie tut mir sehr leid, aber ich hatte nur Augen für Eines. Ich wäre fast an der heutigen Stage vorbeigelaufen. 😱 Auch der sehr nette und freundliche Herr von der Auberge in Sospel wurde gleich eingeweiht. Irgendwie musste ich ja mein verheult-verschmiertes Mascara erklären. Jap – ich schmiere mir immer noch Kajal und Mascara ins Gesicht, das lässt mich nicht ganz so verwildert ausschauen. In 99 Tagen ging ich nur 2x ungeschminkt los. Beide Male hatte ich kein Licht in der Früh: im Rifugio Ferioli und im Rifugio della Pace. Aber nur einmal hatte ich mein Wandershirt seitenverkehrt an, das war gestern 😉 … wieder ein Zeichen für die nachlassende Konzentration. Aber jetzt muss ich nur noch einen Tag durchgehen. Ab dann passt wieder Tom auf mich auf …. wo auch immer wir uns treffen. Ich hoffe einfach, dass ich morgen aufwache und weiß, wohin ich gehen soll.

Tagesstatistik
zurückgelegte km: 23,5km
überwundene Höhenmeter: 520 bergauf / 1790 bergab
höchster Punkt: 1930m – kurz vorm Pointe de Ventabren
tiefster Punkt: 350m – Sospel
Stunden unterwegs: 7h

absolvierte Stages: 1
gefundene Geocaches: 1
davon T5: 0

Kosten: ?,-
Übernachtung: ?,-
Aperol: 4,50
Supermarkt: 4,80
Links

Fotos von heute
zur Unterkunftsbewertung
Auberge de Pont Vieux
Route auf Komoot

Route

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6 Comments
  1. Antworten

    K2

    Juli 27, 2017

    Du wolltest ja nicht, daß man Dir verrät, wann Du das Meer sehen wirst.
    Jetzt hast Du es selbst erlebt.

    Ich kenne jemanden, der kann vielleicht ein wenig mitfühlen 😉

    Cu K2.

  2. Antworten

    Babsy

    Juli 27, 2017

    ich bin soooooo stolz auf dich!

  3. Antworten

    Apollo

    Juli 27, 2017

    Ich hoffe, du hast dich nicht wirklich 100 Tage abgehetzt sondern hast es zwischendurch auch mal genossen! 😱

    Wäre auch für warten: setz dich an einen Platz wo du aufs Meer blicken kannst und warte bis du nicht mehr weinen musst. Dann ist Tom bestimmt auch schon da..

  4. Antworten

    Volker

    Juli 28, 2017

    100 Tage ist eine lässige Zahl. Ich bin heute gerade in einem Tag die Schweiz durchwandert. (Poschiavo-Ecke). Bin sehr müde, hatte aber schönes Wetter.
    Alles Gute für deine Entscheidung. Wie auch immer sie ausfällt, du wirst Ende Juli mit dem Cache fertig sein. Das Loggen ist dann nur noch Formsache.
    Lg Volker

    • Antworten

      K2

      Juli 29, 2017

      Formsache ?
      So, so.
      Die Geschichte mit Martin schon vergessen ? 😉

      IlPadrino.

  5. Antworten

    Gert

    Juli 28, 2017

    Herzlichen Glückwunsch zum Blick aufs Meer! Bald wirst du die Füße reinstecken, bin gespannt auf die Entscheidung, wie bald 😉

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Höhe statt Ferne

zur StoryView more

2017 war für mich das Jahr der weiten Wanderung – in 100 Tagen ging ich von Graz nach Monaco.

Als ich damals im Piemont am Monte Rosa vorbeigewandert bin, wusste ich … irgendwann werde ich diesen Gebirgszug nicht nur aus der Ferne betrachten. Aus “irgendwann” wurde “sehr bald” …

… und so habe ich 2018 meine Prioritäten anders gelegt und mich unter dem Motto “Höhe statt Ferne” kürzer, dafür höher nach oben orientiert und auf einer zweitägigen Tour meine ersten 4.000er Gipfel bestiegen und auf der höchsten Berghütte Europas übernachtet.

In meinem Tagebuch kannst Du über dieses besondere Erlebnis nachlesen.

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