Vorbereitungen Teil 4 – an seine Grenzen gehen
Den heutigen Beitrag möchte ich Vaishavi widmen …
Eigentlich wollten wir zum Abschluss eher eine gemütliche Tour machen. Nach dem anstrengenden Anreisefreitag mit nur 3h Schlaf und den zwei 3000er Wanderungen am Sa und So mit auch deutlich zu wenig Schlaf wäre heute ausruhen, lang frühstücken und gemütlich zurück nach Stein über die Hochfeilerhütte ohne Hochfeiler absteigen sehr nett gewesen. Thomas musste erst um 19:45 im Zug von Innsbruck nach Zürich sitzen, also hatten wir alle Zeit der Welt. Koomi hätte für die Tour 4,5h vorgeschlagen, aber nach gestern wussten wir bereits, dass sich das nicht in unter 6h ausgehen konnte. Ausserdem hatten wir genug von Schneefeldern, das Geröllfeld nach der Hochfeilerhütte war unangenehm zu gehen und natürlich wollten wir was Neues sehen. Dafür sorgte die Alternativroute auch definitiv!
Offene Rechnung
Bereits bei der Planung des Wochenendes schlug ich vor, entweder hin oder zurück über die Gliederscharte zu gehen. Diese hat für mich eine besondere Bedeutung, war es doch der erste Pass, über den ich letztes Jahr auf Grund zu hoher Schneefelder nicht drüber kam. Das war der Beginn der Probleme und Umplanungen. Damals war das am 19. Mai, also deutlich früher im Jahr, ich hatte weniger Erfahrung mit Schneefeldern und auch nicht die passende Ausrüstung in Form von Steigeisen und Gamaschen dabei. Aber nach dem Sommerspaziergnag 2017 war klar, diese offene Rechnung werde ich noch begleichen. Thomas und Tom waren nach dem gestrigen Abenteuer bereit für neue und hatten ein offenes Ohr für meinen Plan, von der Edelrauthütte über die Gliederscharte zurück zu gehen. Die Route war aber auch wieder nicht ohne. Koomi meinte, wir brauchen 7,5h. Prinzipiell kennt sie mein Tempo schon ganz gut und mit Pausen kommt das meist hin. Wie immer kann man sich aber auf Insiderinfos von K2 verlassen und als ich las, dass auf dieser Route die Gaisscharte eine Schlüsselstelle für unsere Vaishavi werden würde, fing ich an, mich etwas schlau zu machen.
Sogar Koomi hatte da Näheres für mich, welches ich aber bei der Planung dezent überlas. Ich war einfach zu sehr auf die Gliederscharte konzentriert. Martin, der ja gerade erst drüber kam, meinte zwar, sie sei überhaupt kein Problem, aber trotzdem hinterließ meine Vorgeschichte einen gewissen Respekt. Dabei hätte diesen die erste Scharte auf der Route verdient. Koomis Vorwarnung lautete:
„Eine der spektakulärsten Scharten auf dem Pfunderer Höhenweg. Sobald man seine Körperfülle durch die sehr enge Felsspalte durchgequetscht hat, wartet ein senkrechter Blick in 30m Tiefe. Mit ein paar Eisentritten als auch einer Eisenkette versehen, steigt man in luftiger Höhe bergab. Für Wanderer ab 170cm kein Problem, darunter muss man sich schon etwas strecken”.
Hmm … ich bin 1,60m, aber Klettersteig-erfahren, die Männer stark und groß, also für uns Zweibeiner alles kein Problem, aber Pups?!
Wir saßen immerhin gestern Abend in einem Raum voller Wanderer, von denen einige gerade erst über die Scharte auf die Edelrauthütte kamen, also fingen wir an, uns schlau zu machen.
Im Grunde waren sich alle einig – die Scharte ist mühsam, aber machbar. Definitiv aber nichts für einen Vierbeiner und es hat auch noch nie jemand mit einem probiert, meinte zumindest der Wirt einer anderen Hütte. Zusätzlich hätte man es auch mit groben Geröllfeld vor und nach der Scharte zu tun.
Nachdem wir gestern erst eine 3500m hohe, steile Schneepyramide bestiegen haben und auch mit rudimentären Sicherungsutensilien ausgestattet waren, waren wir sehr euphorisch und überzeugt, alles schaffen zu können. Wir ließen uns also nicht abschrecken. Allerdings brauchten wir bessere Planung und einen genügend großen Zeitpuffer.
Hüttenalltag
Gemütlich Frühstücken wäre eh nicht gewesen, denn anders als gewohnt, bietet die Edelrauthütte Frühstück von 6:00 bis 8:00 an. Das nutzten wir gleich mal aus und starteten um 6:10 mit dem Frühstück. Die 10 Minuten gingen für chaotische Zustände im Schlafraum drauf. Die Weitwander-Routine des Aufstehens, Waschens, Anziehens und Packens vorm Frühstück fehlte. Die Sachen gehören in einer ganz bestimmten Reihenfolge in ganz bestimmte Drysacks verpackt, damit sich alles ausgeht und man auf Benötigtes zum gegebenen Zeitpunkt leicht zugreifen kann. Aber neues Equipment, kleinerer Rucksack und zugegebenermaßen auch Tom brachten mich da aus dem Konzept.
Doch um 7:22 hatte ich bereits den Cache bei der Hütte geloggt und es ging los.
Denn Dein Weg wird steinig und schwer sein
Die Mitwanderer gestern haben nicht zu viel versprochen. Bereits 10 min nach dem Aufbruch waren wir mitten im ersten Geröllfeld. Anders als gestern waren es meist mittlere bis große glatte Felsen auf unterschiedlicher Höhe mit großen Spalten dazwischen. Springen und vorsichtig Steigen war angesagt, zumal manche davon sehr wackelig waren.
Für uns aber wirklich kein Problem, jedoch trotzdem sehr anstrengend. Jeder Schritt musste gut überlegt gesetzt werden.
Sorgen machte ich mir um Vaishavi. Sie ist bereits ganz am Anfang sehr blöd ausgerutscht und in eine Spalte zwischen zwei Felsbrocken hinein gerutscht. Aber statt dass sie Angst bekam und nicht weiter wollte, hat es ihr nur den nötigen Respekt verschafft und sie hat sich die nächsten drei Stunden tapfer auf dem steinigen Weg gehalten.
Wir versuchten unseren Pfad so zu wählen, dass möglichst große, horizontal liegende Brocken mit möglichst kurzem Abstand und wenig Höhenunterschied folgten, damit sie uns nachgehen kann und es leichter hat. Da sie ihren Klettergurt an hatte, konnten wir sie an den ganz schwierigen Stellen über zu große Spalte oder Stufen drüber heben.
Kurz vor der Scharte kam dann noch ein Geröllfeld, da sahen wir keinen für Vierbeiner passierbaren Weg. Tom nahm sie dann Huckepack wie damals Davis und trug sie drüber. Kein leichtes Unterfangen, da er ja die Hindernisse nun mit 30kg Zusatzgewicht trotzdem überwinden musste.
Gaisscharte
30 Minuten später, als die Wanderschilder angaben, standen wir endlich vor der Gaisscharte. Thomas ist schon vorgegangen mit der Idee rauf zu gehen, oben den Rucksack abzustellen und uns zu Hilfe zu eilen. Der 30m Aufstieg über den senkrechten, engen Klettersteig hat ihm aber zugesetzt und er konnte nicht mehr runterkommen. Auch konnte er sich nicht vorstellen, wie wir da je mit Hund rauf kommen sollen.
Der Plan war klar bzw. gab es zwei Pläne.
Tom meinte, er schnallt sie sich wie einen Rucksack um, und während ich ihn mit dem Seil von oben sichere, klettert er den Steig hoch. Während er sich aus den Bandschlingen einen Klettergurt und Tragevorrichtung bastelte, brachte ich unsere beiden Rucksäcke zu Thomas hoch. Danach ließ ich mir von Tom einen Knoten zeigen, mit dem ich ihn sichern sollte und das Seil nachziehen konnte. Da kam dann kurz mal Panik auf. Mein Knotenwissen geht leider nicht über den Achter hinaus. Irgendwie merke ich mir das nicht und jetzt sollte ich in so einer Situation einen Neuen lernen!
Aber so weit, dass ich ihn ausprobieren konnte, kam es gar nicht, denn nach dem ich Tom Vaishavi umgeschnallt hatte und schon kurz rauf kletterte, um mir einen Stand zum Sichern zu bauen, kamen die ersten Rufe von unten, dass es so nicht funktioniert. Tom hatte kaum Bewegungsfreiheit in den Armen und konnte sich daher nicht in der Sicherungskette halten.
Also bin ich wieder runter gekrackselt und wir widmeten uns der Umsetzung meines Plans, der darin bestand sie einfach hochzuhieven. Tom ging vor und zog am Seil, aber irgendwie funktionierte das auch nicht wirklich. Er konnte sie trotz mit ganzem Gewicht ins Seil hängen und mit aller Kraft ziehen nicht in die Höhe heben. Ich hoffte ja, dass sie das meiste mit Unterstützung selbst klettern kann. Die erste Stufe war aber bereits sehr heftig. Wir mussten 2m überwinden. Sie hing im Seil unter einem Felsvorsprung, gegen den sie ständig pendelte. Sie war so tapfer, winselte nur ganz kurz und leise und nach gutem Zusprechen und Kraulen beruhigte sie sich und ließ uns werken. Ich hob sie immer ein Stückchen hoch und Tom zog am Seil nach. Die erste Hälfte haben wir so überwunden. Dann kam leider ein Eck und sie rutschte uns ab. Sie hatte dort aber einen guten Halt und kletterte wieder zur Wand. Die zweite Hälfte war etwas leichter, denn nachdem wir sie wieder ein paar Meter senkrecht hoch gezogen hatten, konnte sie dort viel selbst klettern und brauchte nur von mir Unterstützung und von Tom Sicherung.
Oben angekommen bekamen wir dann noch tatkräftige Unterstützung von Thomas, denn wir mussten Vaishavi nun über eine sehr enge Stelle heben, wobei wir alle selbst keinen allzu guten Stand hatten. Aber zu dritt war auch das kein Problem und nach einer Stunde hat Vaishavi wahrscheinlich als einer der ersten Hunde die Gaisscharte passiert.
Anspannung und Entspannung
Die Anspannung ließ leider nur kurz nach, denn auf der anderen Seite erwartete uns ein Meer aus Geröll und im Hinterkopf ständig der Gedanke, den Zug erwischen zu müssen. Wir haben bereits 30 Minuten beim Zustieg verloren, aber die zusätzliche Stunde für den Klettersteig haben wir gut abgeschätzt. Vaishavi hat sich durch die Kletterei gar nicht demotivieren lassen. Nach einer kurzen Verschnaufpause, in der wir uns mit Riegel stärkten, ging es also weiter. Sie war wie eine Gams, sie suchte sich ihren Weg perfekt durch den Hindernisparcours. Manchmal nahm sie einen zu langen Umweg und wir mussten sie zurück rufen, aber die meiste Zeit ging dann ich ihren gut gewählten Weg nach und nicht umgekehrt. 🙂
Irgendwann war dann endlich die Kletterei vorbei und es wurde immer grüner und grüner. Trotzdem konnte ich mich nicht so richtig entspannen und die Berge genießen. Die Gliederscharte lag noch vor uns und ich wusste nicht was uns da erwartet. Koomi meinte noch dazu, der Weg dahin sei schwierig und zeigte ihn gepunktet an, ich befürchtete wieder ein Geröllfeld. Erst als zwei uns entgegenkommende Wanderer meinten, es liegt nur ein kurzes Schneefeld am Weg und sonst ist alles easy cheasy, war ich beruhigt. ETA laut Koomi war 17:00 beim Wohnmobil, dann blieben immer noch 2,5h bis zum Bahnhof, also sollte sich alles ausgehen, auch endlich eine schöne Rast.
Thomas suchte uns ein wunderschönes Plätzchen am Grindlbergsee 30 Minuten vor der Gliederscharte. Vaishavi genoss die Rast, sie ging sogar bis zum Bauch in den See, etwas das sie kaum tut, meist nur zum Pfoten kühlen. Und die mussten sicher gekühlt werden. Die scharfen Steine, das Abrutschen auf den Felsen, all das hat sie sehr beansprucht.
Wir hätten uns sogar ein 45 min Pause gönnen dürfen, aber da hatte der Regen wohl etwas dagegen, denn auf einmal fing es an zu tröpfeln und wir machten uns auf den Weg. Vaishavi war immer noch super drauf. Motiviert lief sie vorne weg und wenn wir Ihr zu langsam waren, hatte sie immer noch genug Energie um umzudrehen und nach uns zu schauen.
Mit 1,5 Jahren Verspätung: die Gliederscharte
Da war sie, die Gliederscharte, erreichbar über ein kleines, unspektakuläres Schneefeld. Aber nicht die Scharte war das Beeindruckende, die Aussicht, die dann kam, haute uns um. Auf der anderen Seite streckte sich die schneeweiße Pyramide in den Himmel, links und rechts umarmt von den Gletschereisfeldern. Wir blickten auf den Hochfeiler und uns bleib die Luft weg. Da waren wir gestern oben?!
Ich bin sehr froh, dass wir die Runde in der Reihenfolge machten: Stein -Hochfeiler- Edelrauthütte – Gaisscharte – Gliederscharte – Stein. Andernfalls hätte ich die zwei Männer vielleicht doch nicht auf den 3,5 Tausender bekommen. 🙂 Vaishavi wiederum hätte den Hochfeiler locker geschafft, schade eigentlich, dass sie nicht mit war. Wobei, dann wäre es wirklich etwas eng auf der Spitze der Pyramide geworden.
Der Gigant begleitete uns noch sehr lange beim gemütlichen Abstieg nach Stein, bis er sich dann gerade rechtzeitig vorm Gewitter hinter den anderen Bergen versteckte. Wir beschleunigten unser Tempo und kamen gerade ein bisschen erfrischt und nicht komplett nass um 16:30 beim Wohnmobil an. Da war dann sogar noch ein Radler und ein Eis zum Abschluss drinnen, bevor wir drei dann getrennte Wege gingen. Thomas stieg in den Zug nach Zürich ein, Tom fuhr zu den Babies und Ryoko nach Hause und ich hängte noch einen Tag bei Jakob, Cose und Volker dran.
Training absolviert
Die Vorfreude auf den Monte Rosa ist riesig. Ich würde sagen, wir sind bereit:
- Kondition passt
- Equipement passt
- Schneeerfahrung passt
- Stressresistenz passt
Jetzt ist nur noch die Höhe und die Kälte das große Fragezeichen. Wie gut ich damit zurecht komme, werde ich ja dann in einem Monat wissen.
Vaishavi
Ich bin ganz stolz auf meine Pups. Sie hat sich so tapfer gehalten! Nie hat sie gezögert, hat sich vom Abrutschen nicht demotivieren lassen! Es war wirklich eine anstrengende Tour, und auch die Tage davor, wenn auch für sie etwas abgeschwächt, waren trotzdem nicht ohne. Man darf nicht vergessen, dass Vaishavi 10,5 Jahre alt ist. Das ist Seniorenalter. Ich hoffe, ich bin dann in vergleichbarem Menschenalter auch noch so fit.
Das Wochenende war für sie ein großes Abenteuer, nicht nur physisch, aber vor allem auch psychisch.
Am Samstag musste sie uns zuschauen, wie wir davon wandern und am Fuße des Berges zurückbleiben. Klar mag sie Kai, Annette und ihren neuen Freund Martin sehr gern, das hat man gemerkt. Andernfalls hätten wir sie auch nicht mit ihnen wandern lassen. Trotzdem ist es schwer für einen Hund, sein Frauchen und Herrchen weg gehen zu lassen. Für einen Akita gilt das zwar erst im Laufe der Jahre, denn die Liebe eines Akitas muss man sich erst verdienen, dann ist diese Liebe und Treue aber 100%ig.
Am Sonntag wurde sie dann von uns in einem dunklen Raum zurück gelassen. Natürlich haben wir im Winterraum der Hochfeilerhütte zuerst ein bisschen Zeit verbracht, damit sie sich an diesen gewöhnt, sollte also nicht viel anderes gewesen sein, als z.B: beim Schi fahren, wenn sie im Hotelzimmer bleibt. Und da ist sie immer ganz ruhig und brav und wartet einfach bis wir wieder kommen. Sie muss aber meine Anspannung gemerkt haben, denn ich war sehr unglücklich über diese Lösung.
Am Montag hat sie ihr blindes Vertrauen in uns bewiesen. Sie hat sich immer von uns den Weg zeigen lassen, wartetete vor größeren Felsspalten, bis wir ihr rüber halfen, hat sich ohne Widerstand von Tom tragen lassen und ließ sich am Seil über die Gaisscharte heben. Es muss für einen Hund ein extremes Erlebnis sein, denn sie versteht ja nicht, dass sie da anders nicht drüber kommt. Sie weiß nicht, dass das der einzige Weg ist und wir diesen Pass queren müssen. Sie versteht nicht, was gerade passiert, als sie in die Luft gehoben wird. Und trotz aller Anstrengung, Anspannung und Aufregung hat sie keine Sekunde gezögert, war super drauf, hat immer auf uns gewartet und sich nicht mal von den vielen Murmeltieren ablenken lassen.
Sie hat so unglaubliches Vertrauen in uns. Sie gibt uns so viel. Sie bereichert unser Leben so sehr. Ich kann, ich will mir gar nicht vorstellen, ….
zurückgelegte km: | 14,8km |
überwundene Höhenmeter: | 790 bergauf / 1610 bergab |
höchster Punkt: | 2730m – Gaisscharte |
tiefster Punkt: | 1700m – 3. Kehre Stein |
Stunden unterwegs: | 9,5h |
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Geocaches: | 2 |
Gipfel: | 0 |
Scharten / Pässe / Jochs: | 3 |
19.05.2017 – Gliederscharte oder doch nicht
K2
Betreff: Offene Rechnung
Sehr geehrte Frau P.
Ich bestätige Ihnen hiermit die Begleichung der offenen Rechnung bzgl. der E-Mail-Benachrichtigungs-Funktion (nach der x. Mahnung – wir waren kurz davor, Ihnen ein paar nette Herren mit Überzeugungs-Charakter vorbei zu schicken ;-).
HÖCHSTachtungsvoll,
K2.